Schnelle Hilfe bei akutem Lungenversagen (ARDS)

Bei unzureichender Sauerstoffzufuhr kommt die ECMO-Therapie zum Einsatz

Zugegeben: Der Begriff „Extrakorporale Membranoxygenierung“ (ECMO) erscheint auf den ersten Blick nur schwer auszusprechen, geschweige denn verständlich. Im Kern verbirgt sich hinter dieser speziellen Therapie der Einsatz einer sogenannten ECMO-Maschine, die für einen begrenzten Zeitraum die Sauerstoffversorgung des menschlichen Bluts übernimmt – und zwar außerhalb des Körpers. Die komplexe Behandlung kommt beispielsweise im Falle von massiven Lungenschädigungen nach Unfällen oder schweren Infektionen, die die Funktionsfähigkeit der Lunge stark beeinträchtigen, zum Einsatz. Jonas de Moll von der ECMO-Akademie im Krankenhaus Merheim, kennt sich mit dem ECMO-Verfahren bestens aus. Er hat uns Rede und Antwort gestanden und unter anderem verdeutlicht, worin der Vorteil einer ECMO im Gegensatz zu einer „normalen“ Beatmung besteht.

Jonas de Moll ist Pflegerischer Leiter der ECMO-Akademie am Krankenhaus Merheim, ©Panousi

„Die Ursachen für akutes Lungenversagen sind vielfältig“, erklärt Jonas de Moll, der seit 2019 unter der ärztlichen Leitung von Prof. Dr. Christian Karagiannidis und Dr. Stephan Strassmann die pflegerische Leitung der ECMO-Akademie innehat. „Eine Grippe zur kalten Jahreszeit, die zur Lungenentzündung (Pneumonie) wird, Polytraumen nach (Verkehrs-) Unfällen, bakterielle oder virale Infektionen der Lunge sowie Organ- oder Blutentzündungen im Körper: All dies können Auslöser für das akute Atemnotsyndrom sein, bei dem eine sofortige Behandlung der Lunge notwendig ist – oftmals muss auch die Sauerstoffzufuhr unter Ausschluss der Lunge übernommen werden. Dieses Verfahren findet mithilfe der sogenannten ECMO-Maschine statt.“ Die Abkürzung ,ARDS‘ für das akute Atemnotsyndrom kommt übrigens aus dem Englischen und bedeutet „Acute respiratory distress syndrom“.

Pulmonale und extrapulmonale Auslöser

Um den vielfältigen Gründen des akuten Lungenversagens auf die Spur zu kommen, wird immer zwischen pulmonalen und extrapulmonalen (außerhalb der Lunge stattfindenden) Auslösern unterschieden. Unter die klassischen pulmonalen Ursachen fallen zum Beispiel eine Lungenentzündung oder die Inhalation giftiger Gase – diese Auslöser finden innerhalb der Lunge statt. Zu den extrapulmonalen Auslösern zählt unter anderem eine Entzündung von inneren Organen, beispielsweise der Bauchspeicheldrüse. Wird die Entzündung über den Blutaustausch in die Lunge übertragen, handelt es sich hingegen um eine extrapulmonale Ursache, denn der Auslöser betrifft die Lunge erst in einem zweiten Schritt. Beide Ursachen – also pulmonal oder extrapulmonal – führen zu einer Schädigung der Lunge und der Beeinträchtigung ihrer Funktion: „Es gilt die Faustregel: Je länger der Zeitraum der Lungenschädigung ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Körper unter Folgen – teilweise deutlich spürbaren, wie zum Beispiel Atemnot – leidet.“

Das Blut wird in der ECMO-Maschine über einen Membran-Oxygenator mit Sauerstoff versorgt und vom Kohlendioxid befreit, ©Karagiannidis

Entlastung der Lunge als Voraussetzung für die Selbstheilung

Die Idee hinter einer ECMO-Therapie ist, die Funktion der Lunge für eine bestimmte Zeit auf außerhalb des Körpers zu verlagern, damit sich die Lunge ausschließlich auf die Heilung konzentrieren kann. Stark vereinfacht funktioniert das Lungenersatzverfahren wie folgt: Das Blut wird außerhalb des Körpers in der ECMO-Maschine über einen Membran-Oxygenator mit Sauerstoff versorgt und vom Kohlendioxid befreit, ehe es in den Körper zurückgeleitet wird. „Zu Beginn der Therapie werden zwei Kanülen jeweils in eine große Vene des Patienten bzw. der Patientin eingeführt. Eine der Kanülen zieht das Blut anteilig aus dem Körper hinaus. Eine Zentrifugalpumpe pumpt das Blut im Anschluss durch die Membran in der ECMO-Maschine, wo der Gasaustausch stattfindet: Das venöse, sauerstoffarme Blut wird wieder mit Sauerstoff angereichert und das Kohlendioxid (CO2) zugleich aus dem Blut hinausgewaschen. Dann wird das Blut über die zweite Kanüle durch das Schlauchsystem in eine Vene zurückgeführt und somit vom Herzen durch die Lunge und in den Körper der betroffenen Person gepumpt.“  Es entsteht so ein Kreislauf zwischen dem menschlichen Körper und der ECMO-Maschine, der den lebensnotwendigen Gasaustausch sichert.

Zusätzlicher Druck bei einer Beatmung kann die Lunge zusätzlich schädigen

Doch warum wird die Beatmung nicht direkt am menschlichen Körper vollzogen, beispielsweise anhand eines Beatmungstubus, der die künstliche Beatmung sichert? Jonas de Moll kennt den Grund: „Eine geschädigte Lunge reagiert empfindlich auf Beatmungen mit Druck, denn bei akuten Entzündungen ist weniger Raum für den Gasaustausch vorhanden.“ Gibt man also durch eine Beatmung zusätzlich Druck und Luft in die Lunge, kann dies zu weiteren Schädigungen führen und die Entzündungsreaktion sogar noch vorantreiben. „Bei der ECMO können wir die Beatmung auf wenige Prozent Eigenleistung zurückfahren und der Lunge so die Chance zur Heilung geben, während der Gasaustausch außerhalb des Körpers stattfindet.“

Die ECMO-Therapie ist kein Heilverfahren

Die ECMO-Therapie dient der Entlastung der Lunge; sie ist an sich kein Heilverfahren und kann zwischen wenigen Tagen bis hin zu knapp unter einem Jahr andauern. Jonas de Moll: „Meine Erfahrungswerte beziehen sich auf fünf Tage als kürzeste Behandlungsdauer bzw. auf 220 Tage als längsten Therapiezeitraum. In dieser Zeit muss zusätzlich die Grunderkrankung behandelt werden, damit eine Belastung der Lunge mittelfristig wieder möglich ist.“ Etwa 50 bis 70 Prozent der Patientinnen und Patienten begeben sich anschließend in eine Rehabilitation, um vorsichtig wieder an die Alltagsbelastung herangeführt zu werden. Auch das Alter variiert stark: von jungen Erwachsenen, die beispielsweise nach einem Motorradunfall eine ECMO-Therapie erhalten, bis hin zu älteren Menschen mit einem Lebensalter von über 80 Jahren, die unter einer Lungeninfektion leiden, behandeln wir Menschen aller Altersgruppen.

Die ECMO-Therapie entlastet die Lunge; sie ist an sich kein Heilverfahren und kann zwischen wenigen Tagen bis hin zu knapp unter einem Jahr andauern, ©Panousi

Fundierte Kenntnisse erforderlich

Die Durchführung einer ECMO erfordert spezielles Wissen rund um die technischen Aspekte der Maschinen; auf der Lungenintensivstation der Kliniken Köln sind sechs verschiedene ECMO-Maschinen im Einsatz. Auch mögliche Besonderheiten sind zu beachten: „Wenn sich Blut in künstlicher Umgebung außerhalb des Körpers befindet, neigt es zum Gerinnen. Außerdem dreht die Zentrifugalpumpe das Blut mit bis zu 5.000 Umdrehungen in der Minute – dass hier Blutkörperchen unter Umständen in Mitleidenschaft gezogen werden können, ist schlichtweg nicht zu vermeiden“, so der Pflegerische Leiter. Umso wichtiger ist es daher, mit umfassender Fachkenntnis, Praxiserfahrung und technischem Know-how auf die Durchführung einer ECMO-Behandlung vorbereitet zu sein. „Die deutschlandweite einzigartige ECMO-Akademie auf der Lungenintensivstation der Kliniken Köln ist hierfür die perfekte Fachweiterbildung. Wir freuen uns auf die kommende ECMO-Akademie ab März 2022 – mit dieser Nachwuchsförderung können wir auch weiterhin die optimale Behandlung unserer Patientinnen und Patienten nach neuestem Kenntnisstand garantieren“, betont Jonas de Moll.

Ausbildungsinhalte der ECMO-Akademie

Die 2019 ins Leben gerufene Fachweiterbildung im Bereich der Intensivpflege dauert zwölf Monate und richtet sich an examinierte Pflegefachkräfte, die bereits ein Jahr Erfahrung in einem beliebigen Bereich der Intensivpflege gesammelt haben; auch externe Bewerberinnen und Bewerber sind herzlich willkommen. Während der einjährigen Weiterildung lassen die Teilnehmenden ihren akuten Arbeitsvertrag ruhen und sind auf der Lungenintensivstation der Kliniken Köln eingesetzt. „Die Weiterbildung ist in drei unterschiedliche Schwerpunkte gegliedert: Der Theorieteil findet an einem Schultag in der Woche statt - darauf folgt der unmittelbare Praxiseinsatz auf der Lungenintensivstation, damit das Gelernte direkt in die Tat umgesetzt und gefestigt werden kann. Darüberhinaus gibt es immer wieder unterschiedliche Simulationen - sowohl computergestützt, als auch praktisch. Wir haben zum Beispiel eine Puppe, an der man das kanülieren üben kann", berichtet Jonas de Moll. Der Kurs startet für gewöhnlich mit einem kurzen Wiederholungsteil, der sich mit den Grundlagen der Physiologie beschäftigt. Es folgt der Themenblock zu den verschiedenen Krankheitsbildern des Herzens und der Lunge, darunter auch das akute Lungenversagen - die Theorie ist immer an praktische Wiederholung mithilfe Simulationsübungen gekoppelt. „Wenn die Grundlagen gefestigt sind, geht es um die ECMO an sich. Mehr Aufmerksamkeit legen wir inzwischen auch auf die technischen Aspekte der ECMO-Maschinen, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass insbesondere bei der technischen Bedienung immer wieder Berührungsängste bestehen. Diese Unsicherheiten möchten wir durch gezielte und wiederholte Praxisrerfahrung abbauen." Übrigens: Nach Abschluss der ECMO-Akademie gibt es eine Evaluation mit den Teilnehmenden, sodass Ausbildungsinhalte nach Bedarf angepasst werden können.

Fächerübergreifende Zusammenarbeit sichert die optimale Behandlung

Die gezielte Schulung rund um die ECMO-Behandlung sichert auch weiterhin die bestmögliche Behandlung von Patientinnen und Patienten mit akutem Lungenversagen. Jährlich werden auf der Lungenintensivstation im Krankenhaus Merheim bis zu 100 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Ursachen für ein Akutes Lungenversagen unter dem Einsatz einer ECMO behandelt. „Das war allerdings vor Corona – derzeit behandeln wir im Schwerpunkt vor allem die Menschen, die sich mit COVID-19 infiziert haben.“ Insgesamt gilt: „Je länger die Lunge eine Schädigung erfahren hat, desto schwerwiegender sind meistens die Folgeschäden des Organs“, fasst Jonas de Moll zusammen. Die Zusammenarbeit auf der Lungenintensivstation erfolgt fächerübergreifend und multiprofessionell: Pflege, Medizin, Physio- und Ergotherapie sowie Radiologie, Endoskopie und Bronchoskopie arbeiten Hand in Hand und nach höchsten Maßstäben, um die beste Patientenversorgung zu gewährleisten – und das nicht erst seit Corona.

Prof. Dr. Christian Karagiannidis ist Leiter des ECMO-Zentrums, ©Fürst-Fastré

Mehr zur ECMO-Akademie
Die ECMO-Akademie ist ein deutschlandweit einzigartiges und umfassendes Fortbildungsprogramm im Bereich der Intensivpflege mit Lungenersatzmaschinen. Die einjährige Fachweiterbildung stellt neben technischen Bedienungsaspekten der ECMO-Maschinen die Praxis und Behandlung des Patienten in den Vordergrund.

Dr. Stephan Straßmann ist Facharzt für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, ©Fürst-Fastré

Gegründet wurde die ECMO-Akademie 2019 von Prof. Dr. Christian Karagiannidis und Dr. Stephan Strassmann, die die ärztliche Leitung der ECMO-Akademie innehaben. Die nächste ECMO-Akademie für interne und externe Teilnehmenden startet am 01.03.2022. Mehr Informationen unter ecmo-akademie@kliniken-koeln.de

Seite zuletzt aktualisiert am 11.11.2021