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Migräne

Auf dieser Seite finden Sie umfassende Informationen zur Migräne, insbesondere zu folgenden Themen:

Klinische Symptome der Migräne

Migräne mit Aura

Familiär hemiplegische Migräne (FHM)

Basilarismigräne

Retinale Migräne

Chronische Migräne

Behandlung:

     unspezifische Medikamente

     Migräne-spezifische Medikamente

Akutbehandlung

Prophylaxe

Methoden ohne nachgewiesenen Nutzen bzw. mit schädlichen Effekten

 


Migräne ist eine Erkrankung mit periodisch auftretenden Attacken von Kopfschmerzen. Über keine andere Kopfschmerzform konnten in den letzten 15 Jahren soviel neue Erkenntnisse gesammelt werden wie über die Migräne. Die neue Klassifikation der Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) definiert die Migräne als wiederkehrend auftretende Kopfschmerzen mit Übelkeit, Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen und / oder Licht (Phono- und/ oder Photophobie). Grundsätzlich wird zwischen der Migräne ohne Aura und Migräne mit Aura differenziert, außerdem werden verschiedene Unterformen definiert, wie die Migräne mit prolongierter (verlängerter) Aura, die familiär hemiplegische Migräne sowie Sonderformen wie die komplizierte Migräne, Basilarismigräne, retinale Migräne sowie Aura ohne Migränekopfschmerzen. Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) der Migräne in Deutschland liegt zwischen 12-15% in der weiblichen und 6-8% in der männlichen Bevölkerung. Damit ist die Migräne einer der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Mit bis zu 5-7% sind auch Kinder relativ häufig von dieser Erkrankung betroffen, wobei hier die Symptomatik etwas anders aussieht als bei den Erwachsenen.

 

Klinische Symptome der Migräne

Eine Migräne-Attacke kann in mehreren Phasen verlaufen: 1. einer initialen Prodomalphase (Anfangsphase), 2. einer Aura-Phase, 3. dem eigentlichen Kopfschmerz und 4. einer postiktalen Phase (Phase nach dem Anfall). Im Mittelpunkt steht jedoch für die aller meisten Patienten der anfallsartig auftretende Kopfschmerz, der typischerweise mit autonomen Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit einhergeht. Bei etwa zwei Drittel der Patienten kommt es meist zu einem heftigen, pulsierenden und pochenden halbseitigen Kopfschmerz. Grundsätzlich kann der Kopfschmerz aber auch beidseitig auftreten oder aber die Seite während der Kopfschmerzepisode wechseln. Definitionsgemäß (nach der IHS-Klassifikation) kann ein Migräneanfall zwischen 4 und 72 Stunden dauern. Viele Patienten beschreiben vor der eigentlichen Migräneattacke sog. Prodromalzeichen. Diese Symptome können bis zu 48 Stunden vor der eigentlichen Kopfschmerzphase auftreten und durch Heißhunger, Stimmungsschwankungen, euphorischen Gefühlen oder Polyurie gekennzeichnet sein. Typische Provokationsfaktoren der Migräne können die Periode, vorheriger Alkoholgenuss, Aufenthalt in verrauchten Räumen, Änderung des Tagesrhythmus, stressreiche Situationen oder Abfall des Koffein-Spiegels sein.

Die Migräne beginnt in vielen Fällen bereits während der Pubertät, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 30 und 40. Lebensjahr. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Bei Kindern stehen vegetative Begleitsymptome wie abdominelle Schmerzen und Übelkeit im Vordergrund der Symptomatik. Die Dauer der Symptomatik ist jedoch signifikant kürzer als bei Erwachsenen und umfasst in meisten Fällen nur wenige Stunden. Im Gegensatz zu den Erwachsenen sind Mädchen und Jungen etwa gleich häufig betroffen. Epidemiologische Studien ergeben Prävalenzwerte der Migräne bei Kindern von 5 – 10%.

 

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Migräne mit Aura

Etwa 10-15% aller Migräne-Patienten leiden an einer Migräne mit Aura (früher klassische Migräne oder auch Migraine accompagnée). Dabei kommt es insbesondere vor (und selten auch während) der Kopfschmerzphasen zu neurologischen Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Am häufigsten sind visuelle Auren. Dabei kommt es entweder zu Gesichtsfelddefekten (Flimmerskotome „Flimmern vor den Augen“) oder zu hellen gezackten Figuren (Fortifikationen), die sich in ihrer Größe langsam ausdehnen. Diese Phänomene werden oft zunächst punktförmig in der Mitte des Gesichtsfeldes wahrgenommen und dehnen sich dann langsam beidseitig in eine Richtung aus. Nach ca. 30 Minuten und dem Moment der größten Ausdehnung lassen die Sehstörungen nach und der typische Migräne-Kopfschmerz beginnt. Neben visuellen Ausfällen können auch halbseitige Sensibilitätsstörungen (meist Kribbelparästhesien), Paresen sowie Sprech- oder Sprachstörung auftreten. Die neurologischen Ausfälle entwickeln sich üblicherweise graduell über 5-20 Minuten und dauern in den meisten Fällen nicht länger als 60 min. Eine seltene Sonderform ist die Migräne mit prolongierter (verlängerter) Aura, wobei die neurologischen Ausfälle bis zu max. 1 Woche anhalten können und danach wieder völlig abklingen.

In der Vergangenheit wurde die Aura vielfach als hysterische Ausgestaltung von Patienten gewertet oder wie im Falle der Hildegard von Bingen (1098-1179) als göttliche Erscheinung interpretiert. Selten können Patienten, vor allem Kinder phantastische Bilder sehen oder sich als zu klein oder zu groß erleben (sog. Alice-im-Wunderland-Syndrom). Bei Erwachsenen liegt diesem Syndrom häufig eine symptomatische Ursache zugrunde, wie z. B. Infarkt im Posteriorstromgebiet oder ein Angiom (gutartiger Tumor des Gefäßsystems), so dass dann eine besonders intensive diagnostische Abklärung erfolgen muss.

 

Familiär hemiplegische Migräne (FHM)

Drei Typen dieser seltenen Migräneform werden seit kurzem unterschieden: FHM-1, FHM-2 und FHM-3. Von der FHM betroffene Patienten erleiden während der Migräneattacke eine u. U. komplette Halbseitenlähmung (daher der Name – hemi – halb, Plegie = Lähmung), die für 30-60 Minuten, in einigen Fällen sogar mehrere Stunden andauern kann. Der FHM-1 liegt ein inzwischen identifizierter Gendefekt zugrunde (Ophoff RA et al., 1996) auf Chromosom 19 p13 zugrunde, der eine Untereinheit eines Hirn-spezifischen P/Q-Kalzium-Kanals kodiert (CACNL1A4). Dieser Kalziumkanal wird fast ausschließlich im Kortex, Thalamus, Hirnstamm und Kleinhirn exprimiert. Die Beeinträchtigung der Alpha-Untereinheit des Kalziumkanals verursacht eine erhöhte Öffnungsfrequenz (sog. Gain-of-function-mutation) mit einer konsekutiven unphysiologischen Erhöhung des Kalzium-Einstroms in die Zelle. Mittlerweile sind 14 verschiedene Mutationen dieses Gens bekannt. Interessanterweise können einigen dieser Mutationen spezifische phänotypische Besonderheiten zugeordnet werden. So leiden einige Patienten mit eine spezifischen Mutation gleichzeitig noch unter einer Störung der Bewegungskoordination (Ataxie, episodischer Ataxie Typ 2) oder unter vermehrtem Zittern (Tremor). Kürzlich konnte ferner gezeigt werden, dass die Mutation auf Chromosom 19 auch spontan vorkommen können. Eine fehlende Familienanamnese schließt die Diagnose daher nicht aus. Es wird dann von einer ´Sporadisch hemiplegischen Migräne’ gesprochen.

Der FHM Typ 2 hingegen liegt ein Gendefekt auf Chromsom 1 (1q23) zugrunde. Dieses Gen kodiert für eine spezifische Natrium-/ Kaliumpumpe, welche ebenfalls nur cerebral vorkommt. Pathophysiologisch führt diese Mutation jedoch zu einer verminderten Aktivität der Pumpe unter spezifischen Bedingungen (sog. Loss-of-function-Mutation). Auch klinisch unterscheidet sich die FHM-2 vom Typ 1: neben motorischen Ausfällen zeigen die betroffenen Patienten vermehrt Sprachstörungen und generalisierte Krampfanfälle, Ataxien kommen bei der FHM-2 jedoch nicht vor.

Die FHM Typ 3 entsteht durch einen Gendefekt auf Chromosom 2, der einen Natrium-Kanal codiert. Diese Patienten weisen ebenfalls wie der Typ 2 zu einem gewissen Prozentsatz epileptische Anfälle auf.

 

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Basilarismigräne

Diese Form der Migräne ist sehr selten, präsentiert sich klinisch jedoch als sehr dramatisch, so dass diese Patienten nicht selten auf eine neurologische Intensivstation gebracht werden, weil ein Schlaganfall vermutet wird. Neben Gesichtsfelddefekten können sich Sehstörungen, Schwindel, Tinnitus, Hörstörungen, Doppelbilder, Ataxie (Bewegungsstörungen) und unter Umständen eine Paraparese (Lähmungserscheinungen) der Beine einstellen. Auch wenn sie in die Klassifikation aufgenommen worden ist, bezweifeln einige Autoren ihre Existenz.

 

Retinale Migräne

Während der akuten Attacke entwickeln diese Patienten eine monokuläre (nur auf einem Auge) Sehstörung. Sie können Skotome (Ausfall eines Teils des Gesichtsfeldes) oder gar eine (monoculäre) Blindheit entwickeln. Diese Störungen sind zeitlich begrenzt und bilden sich innerhalb weniger Stunden wieder komplett zurück. Die Diagnose einer retinalen Migräne fordert im symptomfreien Intervall einen unauffälligen augenärztlichen Befund. Andere zugrunde liegen Ursachen wie z. B. eine hochgradige Stenose der A. carotis interna (Amaurosis fugax) müssen ausgeschlossen sein.

 

Chronische Migräne

Die Existenz dieser Form war lange umstritten und ist neu in die II. Klassifikation der Kopfschmerzen aufgenommen worden. Nach der Definition müssen Migränekopfschmerzen an mehr als an 15 Tagen im Monat seit mindestens 3 Monaten bestehen. Ein Medikamenten-induzierter (durch Medikamente ausgelöster) Kopfschmerz muss jedoch ausgeschlossen sein. Aber genau diese Abgrenzung kann hier sehr schwer sein, da Patienten mit häufigen Migräne-Attacken auch häufig Medikamente einnehmen. Liegt also der Verdacht auf eine chronische Migräne vor und nimmt der Patient tatsächlich an mehr als an 15 Tagen Medikamente zur Akutbehandlung der Migräne ein, kann die Diagnose erst gestellt werden, wenn der Patient von seinen Medikamenten entzogen worden ist und nach vollendetem Entzug immer noch unter chronischen Migräne-Kopfschmerzen leidet. In diesen Fällen kann auch die Abgrenzung zum chronischen Spannungskopfschmerz schwierig sein.

 

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Behandlung der akuten Migräneattacke

Nicht-migränespezifische Medikamente

Leichte bis mittelschwere Migräneattacken können mit peripher wirksamen Analgetika (schmerzstillende und –lindernde Medikamente) und NSAID’s (=Nichtsteroidale Antiphlogistika, entzündungshemmende Schmerzmittel ohne Kortison) behandelt werden. Die Wirksamkeit der Analgetika kann durch die Gabe von Prokinetika (Mittel zur Förderung der Magen-Darm-Bewegung) und Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen) wie Metoclopramid oder Domperidon verbessert werden, da somit die Aufnahme der Medikamente insgesamt verbessert wird. Da viele Patienten gleichzeitig unter Übelkeit und Erbrechen leiden, bietet sich die begleitende Gabe dieser Substanzen auch unter diesem Gesichtspunkt an. Wichtig ist eine ausreichend hohe Dosierung der eingesetzten Präparate sowie die Auswahl gut und schnell aufnehmbarer Darreichungsform (Brausetabletten oder Granulate). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Präparate.

Tabelle 1: Analgetika zur Behandlung der Migräneattacke 

Arzneimittel Dosierung Nebenwirkungen Kontraindikationen
Acetylsalicylsäure 1000 mg Magenschmerzen, Übelkeit,
Gerinnungsstörungen
Magen-Darm-Ulzera, Asthma, Blutungsneigung, Schwangerschaft Monat 1-3
Ibuprofen 400 - 800 mg wie ASS, Ödeme wie ASS (Blutungsneigung geringer), Niereninsuffizienz, LE
Naproxen 500 - 1000 mg wie Ibuprofen wie Ibuprofen
Ketoprofen 50 - 100 mg wie Ibuprofen wie Ibuprofen
Diclofenac-K 50 - 100 mg wie Ibuprofen wie Ibuprofen
Metamizol  1000 mg Allergische Reaktion, Blutbildveränderungen Erkrankungen des hämatopoetischen Systems
Paracetamol p.o. 1000 mg Leberschäden in hohen Dosierungen Leberschäden, Niereninsuffizienz

 

Größere Vergleichstudien zwischen den verschiedenen Analgetika existieren nicht. Ältere Studien, die ASS mit Paracetamol verglichen, deuteten auf eine etwas bessere Wirksamkeit von ASS. In einer Vergleichsstudie mit Ergotamin zeigte Ketoprofen eine ähnliche, in einigen Endpunkten sogar eine bessere Wirksamkeit. Vergleichsstudien zur Wirksamkeit von NSAID’s und modernen Anti-Migränemitteln wie den Triptanen und zeigten, dass bei akkuratem Einsatz der NSAID’s häufig eine vergleichbare Wirksamkeit in der Therapie der akuten Migräneattacke erzielt werden kann. Allerdings zeigten Triptane häufig eine bessere Konsistenz in der Attackenbehandlung, wirkten also bei häufigeren Attacken sicherer.

Migränepatienten, die unter NSAID’s keine Besserung der Migränekopfschmerzen erfahren, profitieren vom Einsatz der migränespezifischen Präparate. Spezifische Antimigränemittel sind die Ergotamine und Triptane. Fast alle Ergotamine-Präparate sind bis auf Ergotamintartrat jedoch seit Juli 2003 vom Markt genommen worden. In der Therapie der akuten Migräneattacke sind die Triptane (5-HT1B/D-Agonisten) die Mittel der ersten Wahl. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Präparate nach der Reihenfolge der Zulassung.

 

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Tabelle 2: Übersicht über die verfügbaren Triptane

Migränespezifische Medikamente 

Wirkstoff Dosis und Darreichungsform Nebenwirkungen Kontraindikationen
Sumatriptan

50 -100 mg p.o.
25 mg Supp
10 - 20 mg nasal

 

6 mg s.c.

Engegefühl im Bereich der Brust und des Halses, Parästhesien der Extremitäten, Kältegefühl

Lokalreaktion an der Injektionsstelle

Hypertonie, koronare Herzer­krankung, Angina pectoris, Myokardinfarkt in der Vorge­schichte, M. Raynaud, arte­rielle Verschlußkrankheit der Beine, TIA oder Schlaganfall, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz, multiple vaskuläre Risikofaktoren 
Zolmitriptan 2,5 - 5 mg p.o.
2,5 – 5 mg Schmelztablette
5mg Nasenspray
Lokalreaktion an der Injektionsstelle wie Sumatriptan
Naratriptan 2,5 mg p.o. etwas geringer als Sumatriptan wie Sumatriptan
Rizatriptan 5-10 mg p.o. oder als Schmelz­tablette wie Sumatriptan wie Sumatriptan, Dosis 5 mg bei Einnahme von Propranolol
Almotriptan  12,5 mg p.o. etwas geringer als Sumatriptan wie Sumatriptan
Eletriptan 20, 40 mg p.o.
Schweiz (80 mg)
wie Sumatriptan wie Sumatripta
Frovatriptan  2,5 mg p.o. geringer als Sumatriptan wie Sumatriptan

 

Die vielfältigen Darreichungsformen und Dosierungen der Triptane ermöglichen ein hohes Maß an individueller Therapie. Dabei können auch besondere klinische Präsentationen berücksichtigt werden. So eignen sich für Patienten, die besonders unter Übelkeit und Erbrechen leiden, subcutane (unter die Haut) oder intranasale (=in die Nase hinein) Darreichungsformen (Sumatriptan sucutan, Nasenspray, Zolmitriptan Nasenspray). Patienten, die unter eher lang anhaltenden Attacken leiden, können bevorzugt mit Präparaten behandelt werden, die eine lange Halbwertszeit haben (Frovatriptan, Naratriptan). Patienten, die bereits zu Beginn der Attacke intensive Kopfschmerzen haben und eine möglichst schnelle Wirkung brauchen, können entweder die subcutane Darreichungsform benutzen oder Präparate nehmen, die besonders schnell anfluten (Sumatriptan subcutan, Zolmitriptan Nasenspray, Rizatriptan 10 mg oral, Eletriptan 40mg oral). Patienten, die empfindlich auf ein Triptan reagieren oder spezifische Nebenwirkungen haben, sollten die Präparate einnehmen, die in der vertriebenen Dosierung ein Nebenwirkungsprofil aufweisen, das Placebopräparaten entspricht (Almotriptan, Naratriptan).

Wichtig ist, dass die Migräne-Aura durch Triptane nicht beeinflusst werden kann. Der Einsatz der Triptane sollte daher erst nach abgelaufener Aura erfolgen. Ein Triptan-spezifisches Problem ist das Wiederauftreten des Kopfschmerzes im Zeitfenster von 2-24 Stunden nach einer anfänglich erfolgreichen Behandlung (=sekundäres Therapieversagen). Da Patienten eine schnelle Hilfe erwarten und schnell wirksame Triptane in aller Regel bevorzugt werden, kann dem sekundären Therapieversagen mittels gleichzeitiger Einnahme von Analgetika in ausreichender Dosierung, wie z. B. Ibuprofen entgegen gewirkt werden. Alternativ können auch hier insbesondere Triptane mit einer langen Halbwertszeit Verwendung finden. Rund 25% der Migränepatienten sprechen auf die Gabe von Triptanen nicht an (Triptan-non-responder).

 

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Akutbehandlung der Migräne als Notfall

In der Notfallsituation oder beim Versagen einer oralen Medikation stehen bisher Sumatriptan in einer sukutanen Darreichungsform und Lysin-Acetylsalicylsäure (LAS, früher Aspisol®, Aspirin IV) zur intravenösen Gabe zur Verfügung. Zwei Studien zeigten, dass LAS eine dem subkutanen Sumatriptan fast vergleichbare Wirkung besitzt. Sumatriptan (und alle anderen Triptane) ist bei Patienten mit Gefäßerkrankungen (KHK oder PAVK) kontraindiziert (Kontraindikation = Gegenanzeige) und nur für Patienten bis 65 Jahre zugelassen. Acetylsalicylsäure ist bei Aspirinallergie und beim Asthma bronchiale kontraindiziert. Als weitere Alternative zu Sumatriptan und LAS kann ferner auf intravenöse Valproinsäure zurückgegriffen werden. Zwei Studien konnten jüngst zeigen, dass die Gabe von 500 - 2400 mg Valproinsäure intravenös in der Behandlung akuter Migräneattacken wirksam ist (Leniger et al. 2005). Valproinsäure ist bisher für die Behandlung der Migräne nicht zugelassen (weder für die Akuttherapie noch für die Prophylaxe).

 

Prophylaxe der Migräne

Die akute Therapie muss in nicht selten durch eine Prophylaxe (=Vorbeugung) ergänzt werden. Mehrere klinische Aspekte rechtfertigen den Beginn der Migräneprophylaxe. Ziel ist es, die Zahl der Migräneattacken im Monat bzw. die Anzahl der Migränetage im Monat sowie die Intensität jeder Migräneattacke zu senken. In der Folge soll damit auch erreicht werden, die Einnahme von Akutpräparaten wie Triptane, NSAID und Analgetika auf ein Mindestmaß zu senken, um zum einen die Menge der eingenommenen Akutmedikation zu reduzieren und um zum anderen die Gefahr eines Medikamenten-induzierten (durch Medikamente ausgelösten) Kopfschmerzes zu reduzieren. Folgende Aspekte rechtfertigen die Einleitung einer Migräneprophylaxe:

  1. Mehr als zwei Migräneattacken/ Monat
  2. Migräneattacken länger als 48 h anhaltend (prolongierte – verlängerte - Attacken)
  3. Therapieversagen von Akutpräparaten
  4. Komplizierte Migräne
  5. Sozioökonomische Aspekte, wie z. B. Gefährdung des Arbeitsplatzes durch häufige Attacken

 

Erfolg oder Misserfolg einer prophylaktischen Therapie werden vom Patienten sehr subjektiv beurteilt. Eine Objektivierung der Therapie kann daher ausschließlich durch ein Tagebuch erfolgen. Patienten sollten daher während der ersten Monate einer prophylaktischen Therapie angehalten werden, ein Kopfschmerztagebuch zu führen, in dem neben den Schmerzattacken auch die eingenommene Akutmedikation aufgeführt wird. Grundregeln einer erfolgreichen prophylaktischen Therapie sind:

  • Erhaltung der Compliance (=Einhaltung von Vorgaben; nur wenn der Patient seine Medikation nimmt, kann diese auch wirken)
  • Aufklärung des Patienten über den langsamen Wirkeintritt der prophylaktischen Therapie (Patienten erwarten häufig einen Wirkeintritt und einen Effekt nach wenigen Tagen, Prophylaktika können häufig aber erst nach mehreren Wochen beurteilt werden. Die Einnahmedauer sollte daher zunächst 2-3 Monate betragen)
  • Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen und die Tatsache, dass die Nebenwirkungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eher auftreten werden als die durch die Medikation angestrebten Effekte
  • Langsames Einschleichen aller Medikamente (viele Migräne-Patienten reagieren wesentlich empfindlicher auf Medikamente als andere Personen)
  • Anhalten der Patienten, Kopfschmerztagebücher zu führen
  • Positives bzw. medizinisch sinnvolles Ausnutzen der Nebenwirkungen

Obwohl Präparate wie Valproinsäure nach wie vor als „off-label-use“ verschrieben werden müssen, ist der Einsatz dieser Präparate dennoch Evidenz-basiert und in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie enthalten. Tabellen 3 und 4 geben einen Überblick über die Substanzen der ersten und zweiten Wahl zur Prophylaxe der Migräne.

 

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Tabelle 3. Substanzen der ersten Wahl zur Migräneprophylaxe  

Wirkstoff Dosis                  Nebenwirkungen Kontraindikationen
Nebenwirkungen gegliedert nach Häufigkeit
Metoprolol 50 - 200 mg Müdigkeit, arterielle Hypotonie, Schlafstörungen, Schwindel, Hypoglykämie, Bronchospasmus, Bradykardie, Magen-Darmbeschwerden, Impotenz AV-Block, Bradykardie, Herzinsuffizienz, Sick-Sinus-Syndrom, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, orthostatische Dysregulation, Depression
Propranolol 40 - 240 mg Müdigkeit, arterielle Hypotonie, Schlafstörungen, Schwindel, Hypoglykämie, Bronchospasmus, Bradykardie, Magen-Darmbeschwerden, Impotenz AV-Block, Bradykardie, Herzinsuffizienz, Sick-Sinus-Syndrom, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, orthostatische Dysregulation, Depression
Bisoprolol 5 - 10 mg Müdigkeit, arterielle Hypotonie, Schlafstörungen, Schwindel, Hypoglykämie, Bronchospasmus, Bradykardie, Magen-Darmbeschwerden, Impotenz AV-Block, Bradykardie, Herzinsuffizienz, Sick-Sinus-Syndrom, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, orthostatische Dysregulation, Depression
Flunarizin 5 - 10 mg Müdigkeit, Gewichtszunahme, Gastro-intestinale Beschwerden, Depression, Hyperkinesen, Tremor, Parkinsonoid Fokale Dystonie, Schwangerschaft, Stillzeit, Depression, M. Parkinson in der Familie 
Valproinsäure retard (cave: off-label-use) 500 - 600 mg Müdigkeit, Schwindel, Tremor, Hautausschlag, Haarausfall, Gewichtszunahme, Leberfunktionsstörungen Hepatopathie, Schwangerschaft (Neuralrohrdefekte), Alkoholmissbrauch
Topiramat 50 - 100 mg Müdigkeit, Konzentrationsstörunge, Gewichtsabnahme, Parästhesien, Geschmacksveränderungen, Psychosen, Engwinkelglaukom

Niereninsuffizienz, Nierensteine, Engwinkelglaukom 

 

Tabelle 4. Substanzen der zweiten Wahl 

Substanzen
(Beispiel)
Dosis                Nebenwirkungen Kontraindikationen
Amitriptylin
(z.B. Saroten â, Amineurin â)
50 - 150 mg H: Mundtrockenheit, Müdigkeit, Schwindel, Schwitzen
G: Blasenstörungen, innere Unruhe, Impotenz
A: Engwinkelglaukom, Prostataadenom mit Resthar
Gabapentin
(z.B. Neu­rontin â )
2400 mg H: Müdigkeit, Schwindel
G: Ataxie, gastro-intestinale Störungen 
Schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen
Naproxen (Pro­xen â ) 2 x 250 mg
2 x 500 mg
H: Magenschmerzen A: Ulcus, Blutungsneigung
R: Asthma bronchiale
Pestwurz (Petado­lex â ) 2 x 75 mg G: Aufstoßen, Magenschmerzen
S: Leberfunktionsstörungen
A: Schwangerschaft, Stillzei
Acetylsalicylsäure
(Aspirin â)
300 mg G: Magenschmerzen A: Ulcus, Blutungsneigung
R: Asthma bronchiale
Magnesium 2 x 300 mg H: Durchfall bei zu rascher Aufdosierung keine
Methysergid
(Deseril®, in Deutschland nicht mehr zugelassen) 
2 - 8 mg Anstieg des Blutdrucks, Übelkeit, Retroprotonial- und Lungenfibrose  Hypertonus, KHK, AVK
Mutterkraut 3 x 6,25 mg S: Hautausschlag keine
Botulinumtoxin Muskelschwäche, Ptosis Myasthenie

Nebenwirkungen:

H: häufig       G: gelegentlich       S: selten       A: absolut       R: relativ
KHK = koronare Herzkrankheit        AVK = arterielle Verschlusskrankheit

Methoden ohne nachgewiesenen Nutzen bzw. schädlichen Effekten

Zwei relativ populäre Therapieansätze haben sich leider in wissenschaftlichen Studien als unwirksam erwiesen, werden allerdings trotzdem noch weitläufig angewendet: Akupunktur und Hormontherapien. Akupunktur ist insbesondere in Deutschland sehr weit verbreitet. Randomisierte Multicenter-Studien, die Akupunktur mit Scheinakupunktur in der Prophylaxe der Migräne verglichen, konnte keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen zeigen. Akupunktur und Scheinakupunktur waren gleich wirksam bzw. unwirksam. Auch zur Hormonbehandlung bei der Migräne gibt es nach wie vor keine eindeutigen Studien, die die Wirksamkeit von Hormonbehandlungen hätten belegen können. In Anbetracht eines inzwischen in mehreren Studien gut belegten erhöhten Brustkrebsrisikos und einer erhöhten Thrombosegefahr kann bei unklarer Studienlage keine Empfehlung zu Hormontherapien zur Prophylaxe der Migräne gegeben werden. Die weitere Liste von Maßnahmen, die Patienten (nicht selten aus Verzweiflung) zur Anwendung bringen, die aber eindeutig nutzlos, teilweise sogar schädlich sind, ist lang:

  • Amalganfüllungsaustausch
  • Bestrahlung
  • Chiropraktik
  • Diäten
  • Einrenkmanöver
  • Heilfasten
  • Homöopathie
  • Hysterektomie
  • Injektionen ins Ganglion Gasseri
  • Ostheopathie
  • Ostheo-craniale Therapie
  • Psychophonie
  • Quaddeln
  • Zähneziehen

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Seite zuletzt aktualisiert am 10/13/2017